Krafttraining im Alter

Erhalt der Leistungsfähigkeit, Selbstständigkeit und Gesundheit

Zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr redu­ziert sich die Muskelmasse des Menschen um etwa 30-40%. Besonders gravierend ist der Kraftverlust ab 55. Bei den über 70-jährigen nimmt die Kraft sogar nochmals um etwa 30% ab. Die Kraft reicht bei über 80-jährigen dann unter Umständen kaum noch aus, um normale Alltagsbelastungen, wie das Aufstehen vom Stuhl, Gehen oder Treppe steigen ohne erhebliche Anstrengungen zu bewältigen.

Man weiss allerdings, dass nur ein Teil der im Alter gemessenen Kraftminderungen genetisch bedingt ist. Ein grosser Teil des Kraftrückgangs ist offenbar lediglich auf einen Reizmangel aufgrund einer geringeren körperlichen Aktivität zurückzuführen, denn es werden erstaunliche Kraftleistungen noch im 8. und 9. Lebensjahrzehnt berichtet.

Das altersbedingte Absterben von Muskelfasern kann offenbar durch eine Erweiterung des Leistungspotentials der noch vorhandenen Fasern in Grenzen kompensiert werden. Da die Trainierbarkeit der Kraft bis ins höchste Alter nachgewiesen werden konnte, ist somit durch Krafttraining eine Erhaltung der Selbständigkeit und einer alltagsrelevanten Funktionsfähigkeit möglich. Körperliches Training wirkt sich darüber hinaus günstig auf das psychosoziale Wohlbefinden und die geistige Leistungsfähigkeit aus und bietet einen Schutz vor Stürzen, deren Folgen im hohen Alter ein grosses Risiko darstellen, pflegebedürftig zu werden oder zu versterben.

Etwa 5-11% der Stürze älterer Menschen führen zu ernsten Verlet­zungen und häufig zum gefürchteten Oberschenkelhalsbruch. Krafttraining verbessert die Muskelfunktion, so dass Stürze verhindert werden können und stärkt die Knochen, was wiederum das Bruchrisiko beim Sturz senken kann. Zudem kann Krafttraining Alterskrankheiten wie Diabetes (Zuckerkrankheit), Osteoporose (Knochenbrüchigkeit) oder Altersdepression günstig beeinflussen.

Krafttraining im Seniorenalter

Die Trainingsmethodik im jüngeren Senio­renalter orientiert sich eng an den Vorgaben für ein Fitnesskrafttrai­ning, insbesondere im Sinne eines sanften Krafttrainings. Meist steht im Seniorentraining der gesundheitliche und kommunikative Aspekt im Vordergrund, weniger der Leistungsgedanke. Dennoch sollte die Trainingsplanung differenziert erfolgen, da in dieser Lebensphase vermehrt chronische Erkrankungen die körperliche Belastbarkeit und somit die individuelle Zielsetzung und Trainingsplanung beeinflussen.

Die häufigsten Erkrankungen im Seniorenalter sind:

  • Bluthochdruck

  • Arthrose

  • Rücken- und Gelenkschmerzen

  • Künstlicher Gelenkersatz (Knie- und Hüftgelenksprothesen)

  • Herz- und Gefässerkrankungen

  • Übergewicht und Adipositas

  • Diabetes mellitus Typ 2

  • Osteoporose

Sorgfältiges Aufwärmen ist wichtig

Es ist generell auf ein sorgfältiges Aufwärmen und auf langsame Belastungssteigerungen, insbesondere der Gewichtslast zu achten, da ältere Menschen einen langsameren Stoffwechsel und einen veränderten Hormonhaushalt haben, was die Geschwindigkeit von Anpassungsvorgängen und Leistungsaufbau herabsetzt. Dennoch sollten auch Senioren durchaus mit hohen Gewichten im Bereich von 70-80% der Maximalkraft trainieren, da im höheren Alter insbesondere die schnellen, weissen Muskelfasern atrophieren und absterben. die für das Tragen und Bewegen höherer Lasten (auch des eigenen Kör­pergewichts) und für schnelle Reaktionen (z.B. zur Unfallprophylaxe) notwendig sind. Hohe Intensitäten sind jedoch erst für Trainierende geeignet, die eine mehrwöchige Vorbereitung durch Erlernen der korrekten Bewegungstechnik mit geringen Intensitäten durchlaufen haben. Beintraining und Gleichgewichtstraining (im Sinne eines sensomotorischen Krafttrainings) sind im höheren Seniorenalter als Sturzprophylaxe bedeutsam, da Stürze beim älteren Menschen erhebliche gesundheitliche Konsequenzen mit sich bringen.

Zur Sturz- und Unfallprophylaxe sowie zur Verbesserung der Mobilität sollten auch zügige Bewe­gungsgeschwindigkeiten, z.B. an der Bein­presse, und gering intensive reaktive Mus­kelaktionen im Training Berücksichtigung finden. Auch sind Übungen auszuwählen, die geeignet sind, die Beweglichkeit der grossen Körpergelenke, insbesondere Hüfte, Schultergürtel, Wirbelsäule und Sprunggelenke, zu erhalten, bzw. zu verbessern. Verkürzte Bewegungsamplituden wie Teilwiederholungen oder Endkontraktionen sollten möglichst vermieden werden. Letztendlich bestimmt sich der jeweilige Trainingsplan über die Zielsetzung des Trainierenden, seinen Trainingszustand (wichtiger als das kalendarische Alter) und über seine Erkrankungen.

Trainingsumfang im Seniorenalter

Zwei Trainingseinheiten pro Woche mit 6-10 Kräftigungsübungen und 10-15 Wiederholungen pro Serie bei mittlerer Belas­tungseinschätzung auf einer RPE-Skala sind für Trainingseinsteiger gut geeignet. Erfahrene Trainierende können die Lasten stei­gern, so dass die Wiederholungszahl bei gleicher subjektiver Belastungseinschätzung auf 8-12 Wiederholungen pro Serie absinkt. Unerfahrene Senioren sollten vor Aufnahme des Trainings eine ärztliche Untersuchung zur Abklärung eventueller Risi­ken durchlaufen und zunächst unter der Aufsicht erfahrener Trainer trainieren.

Krafttraining ab 80 Jahre

Die Kraft ist insbesondere im höchsten Alter eine unabdingbare Voraussetzung für eine lange Selbständigkeit, für Mobilität und Lebensqualität. Das Krafttraining mit Hochaltrigen, d. h. mit Menschen über 80 Jahren, findet häufig in einer Seniorengymnastik in Wohn- oder Pflegeheimen bzw. im Rahmen einer Physiotherapie statt. Der Anteil an Hochaltrigen in Fitness-Studios ist hingegen extrem gering. Auch Hochaltrige sollten mit den typischen Intensitäten eines Krafttrainings trainieren. Eine Intensität von über 60% wird von den meisten Experten als effektiv angesehen. Allerdings wurde auch mit Zusatzlasten von 80% der Maximalkraft er­folgreich und verträglich mit Personen zwischen 69-97 Jahren trainiert. Hohe Intensitäten sind im Training mit Hochaltrigen sehr sinnvoll, da das fortschreitende Absterben von Muskelfasern und fehlende Trainingsreize die Maximalkraft deutlich reduzieren. Eine zu geringe Maximalkraft führt jedoch zum Verlust von Mobilität und Selbständigkeit. Der alte Mensch muss kräf­tig genug sein, um Positionswechsel (Auf­stehen aus dem liegen oder Sitzen), Gehen, Treppe steigen oder das Tragen von Gegen­ständen selbständig durchführen zu kön­nen. Da natürlich auch länger andauernde Muskelkontraktionen im Sinne einer Kraftausdauer Beanspruchung im Alltag vor­kommen, sind auch niedrigere Intensitäten mit höheren Wiederholungszahlen durchaus sinnvoll.

Eine intensive Wirkung des Trainings auf Muskel­masse und Maximalkraft sollte dennoch nicht vernachlässigt werden. Vor der Auf­nahme eines intensiven Krafttrainings ist eine ärztliche Untersuchung allerdings drin­gend angeraten. Als Belastungsumfang werden 10-15 Wie­derholungen pro Serie und zunächst eine, später zwei Serien empfohlen. Die Be­lastung kann über die Wiederholungszahl in der Serie gesteuert werden. Dabei wählt man eine Gewichtsbelastung (durch Aus­probieren), bei der der Trainierende 10-15 Wiederholungen schafft und sich dabei etwa mittelschwer belastet fühlt. Aller­dings wurde in manchen Studien mit Hochaltrigen die Trainingsintensität auch über einen 1-Wiederholungs-Maximalkrafttest bestimmt, ohne dass es zu Komplikationen kam. Wird mit hohen Intensitäten trainiert, sinkt die Wiederholungszahl auf 8-10. Auch hierbei wird die Serie immer deutlich vor der totalen muskulären Erschöpfung beendet.

Auf die Erholung achten

Da die Erholung im Alter länger dauert, ist es wichtig, zwischen den einzelnen Trainingseinheiten längere Pausen ein zuhalten als bei jüngeren Personen. Zwei Trainingseinheiten pro Woche sind dabei als optimal anzusehen. Zur Vermeidung von akuten oder chroni­schen Schädigungen der Gelenkstrukturen sollten zunächst einfache Übungen ohne einen hohen koordinativen Anspruch durch­geführt werden, so dass eine korrekte, phy­siologische Belastung der Gelenke sicher­gestellt ist. Da die Koordinationsfähigkeit bei Hochaltrigen oft schlecht ausgeprägt ist, empfiehlt sich vor der Aufnahme eines Krafttrainings mit hohen Intensitäten immer eine technische Vorbereitungsphase. Um kardiovaskuläre Risiken bei vorhande­nen Erkrankungen, z.B. Arteriosklerose oder Bluthochdruck, die im hohen Alter häufig sind, zu vermeiden, sollte vor allem darauf geachtet werden, dass der Blutdruck durch das Krafttraining nicht zu hoch ansteigt. Dies kann dadurch erreicht werden, dass eine hohe Ausbelastung der Teilnehmer ver­mieden und auf eine korrekte Atemtechnik ohne Pressatmung geachtet wird. Blutdruck­spitzen können auch deutlich minimiert wer­den, wenn nach jeder anstrengenden Wie­derholung Pausen von drei Sekunden mit einer vollständigen Muskelentspannung ein­gebaut werden.

Das Krafttraining sollte vor allem dyna­misch sein, da hierdurch - im Gegensatz zum isometrischen Training - der Gelenk­ und Muskelstoffwechsel intensiver angeregt, die intermuskuläre Koordination und Beweglichkeit stärker gefördert, und die Gehirndurchblutung. Isometrisches Krafttraining ist durch die Einfachheit der Durchführung und den geringen zeitlichen und materiellen Auf­wand eine sinnvolle Ergänzung, wenn mit kurzen, intensiven Anspannungszeiten (5-10 Sek.) oder länger andauernden leichten Kontraktionen (20-30 sec.) trainiert wird. Auch hierbei darf aufgrund des hohen Blut­druckanstiegs keine Pressatmung eingesetzt werden. Um ein Krafttraining mit Hochaltrigen durchzuführen, werden in der Regel keine aufwendigen Geräte benötigt, da ihre Ma­ximalkraft gering ist.

Bodyweight-Training: eine sehr effektive Methode

Ein Training mit dem eigenen Körpergewicht ist oft ausreichend, um effektiv zu trainieren. Andererseits kön­nen Gewichtsmanschetten, Kurzhanteln, Tubes und Therabänder die Motivation und Leistungsbereitschaft steigern und insbe­sondere das Training der oberen Extremität erleichtern. Jedoch sollten die Geräte sorg­fältig nach der individuellen Leistungsfä­higkeit ausgewählt werden. Auch das Training an Kraftmaschinen wurde erfolgreich und ohne Komplikationen durchgeführt. Es hat aber aus organisatorischen Gründen für das Training im hohen Alter bislang kaum eine Bedeutung, da viele Hochaltrige in Wohn- oder Pflegeheimen untergebracht sind bzw. sich kaum in Insti­tutionen bewegen, die über Krafttrainings­geräte verfügen. Eine Ausnahme bilden hier stationäre und ambulante Rehabilitations­massnahmen. Alte Menschen, die noch stabil stehen können, werden möglichst im Stehen und Gehen trainiert (und nicht im Sitzen), denn das Stehen und selbständige Gehen sollten als wichtige Alltagsfähigkeiten immer gefördert werden. Eine funktionelle Gymnastik im Stand trainiert die Koordination, das Gleichgewicht und die Standsicherheit automatisch mit. Ebenso ist es mit Übungen im Liegen oder Sitzen auf der Matte. Das Hinlegen und wieder Aufstehen, kann bei dieser Personengruppe länger dauern, trainiert aber den im Alltag nötigen Positionswechsel. Die wichtigsten Muskelgruppen im Kräfti­gungstraining mit Hochaltrigen sind die mobilitätssichernden Bein- und Rumpfmuskeln sowie die Arm- und Schultermuskeln. Hier einige einfache Übungsbeispiele zur alltagsrelevanten Kraftentwicklung bzw. Krafterhaltung (in Anlehnung an Deutscher Turnerbund 2005):

  • Kniebeugen hinter dem Stuhl (mit Festhalten an der Lehne)

  • Hinter dem Stuhl stehend ein Knie nach vorn anheben und das Bein abspreizen (mit Festhalten an der Lehne)

  • Wadenheben beidbeinig hinter dem Stuhl (mit Festhalten an der Lehne)

  • Theraband ziehen in aufrechter Sitzposition zur Kräftigung der Rückenmuskeln

  • Beinheben im Sitzen mit Druck der gegenseitigen (kontra lateralen) Hand zur Kräftigung der Bauchmuskulatur (isometrisch)

  • Schulterabduktion mit Gewichtssäck­chen (z.B. 0,5 kg)

  • Armbeugen mit kleinen Handgewichten (z.B. 1-2 kg)

  • Hochdrücken aus dem Sitz mittels der Arme an den seitlichen Lehnen (unter Unterstützung durch die Beine)

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